Angst vorm Zahnarzt: Das kann man tun

TextAlexandra Brechlin

Ein Besuch beim Zahnarzt gehört selten zu den Lieblingsterminen. Doch es gibt Menschen, die fast schon krankhafte Angst davor haben. Wir haben einen Experten gefragt, was dagegen helfen kann.

Spricht man mit Alexander Pirk, so würde man sich danach eigentlich ohne jeden Zweifel auf seinen Behandlungsstuhl setzen. Der Zahnarzt und Psychotherapeut ist Spezialist für Angstpatienten. Er hat jahrelange Erfahrung mit Menschen, für die ein Zahnarztbesuch eine riesengroße Herausforderung bedeutet.

Wie entsteht Angst vor dem Zahnarzt überhaupt? Liegt es an schlechten Erfahrungen in der Kindheit? An schmerzhaften Erfahrungen beim Zahnarztbesuch?

Alexander Pirk: Tatsächlich liegt es in den meisten Fällen an schlechten oder sogar traumatischen Erfahrungen, die beim Zahnarztbesuch gemacht wurden. Hier in Berlin habe ich oft noch Patienten, die von alten DDR-Schulzahnärzten behandelt wurden und ganz schlimme Erinnerungen an diese Zeit haben. Aber es gibt auch Patienten, die andere Angststörungen, psychische Probleme oder Depressionen haben. Da kommt die Angst vor dem Zahnarzt dann noch dazu.

Wenn etwas mit unangenehmen Erinnerungen verbunden ist, neigen wir zur Vermeidungsstrategie. Das geht im Fall der Zahnarztangst dann leider auf Kosten der Zahngesundheit. Hilft Aufklärung?

Den meisten Patienten ist schon klar, dass es nicht besser wird, wenn sie den Zahnarztbesuch monate- oder sogar jahrelang hinausschieben. Die Beschwerden und der Druck nehmen ja zu. Auch die Scham, mit schlechten Zähnen zum Zahnarzt zu gehen. Leider hilft Aufklärung allein nicht. Ich versuche meine Patienten dort abzuholen, wo sie stehen. Das geht am besten in einem ausführlichen Vorgespräch. Ich versuche herauszufinden, wovor genau der Patient Angst hat: Sind es die Spritzen? Ist es der Bohrer? Die Geräusche? Der Schmerz? Oder ist es eher ein diffuses Angstgefühl bis hin zu Panikattacken? Ich habe dazu einen Angstfragebogen entwickelt, den alle meine Patienten vor der Behandlung ausfüllen. Dann kann ich mir ein individuelles Bild machen.

Viele Menschen fürchten vor allem das Gefühl des Ausgeliefertseins. Man liegt mit offenem Mund im Behandlungsstuhl und kann sich nicht wehren. Können Sie das nachvollziehen?

Ja, natürlich. Das ist ein sehr unangenehmes Gefühl. Hinzu kommt, dass man sich ja mit offenem Mund auch nicht artikulieren kann. Hier ist es ganz wichtig, Zeichen auszumachen, damit der Patient so „Stopp“ sagen kann. Das kann Hand- oder Armheben oder das Betätigen einer Klingel sein. Auch regelmäßiges Nachfragen wie „Tut das schon weh? Können Sie das noch aushalten?“ sowie viele kleine Pausen bei der Behandlung sind ganz wichtig.

Sind eher Männer oder Frauen von Zahnarztangst betroffen?

Es sind tatsächlich mehr Frauen als Männer betroffen. Wobei Männer ihre Angst oftmals nicht zugeben wollen und den Zahnarztbesuch dann eher komplett vermeiden. Frauen gehen etwas offener mit ihren Ängsten um.

Was bieten Sie Angstpatienten an, um die Furcht zu lindern?

Wie schon gesagt: Am Anfang steht für mich immer das ausführliche Gespräch mit dem Patienten. Ich bin nicht nur Zahnarzt, sondern auch Facharzt für psychotherapeutische Medizin und verfolge bei meinen Patienten einen verhaltenstherapeutischen Ansatz. Viele können nach vier bis fünf probatorischen Sitzungen den Zahnarztbesuch erfolgreich bewältigen. Bei schweren Fällen, ausgeprägten Phobien oder Depressionen rate ich allerdings, einen Kollegen aufzusuchen und eine Psychotherapie zu beginnen. Das kann ich in meiner Zahnarztpraxis nicht auffangen.

Was bringt die Behandlung mit Lachgas? Das wird ja mitunter auch in verschiedenen Praxen angeboten.

Lachgas ist ein Sedativum. Es wirkt beruhigend, entspannend und verringert das Schmerzempfinden, aber man bleibt bei Bewusstsein, anders als bei der Vollnarkose. Ich persönlich setze es aus verschiedenen Gründen nicht ein. Zum einen gibt es circa ein Drittel Non-Responder, also Menschen, die darauf nicht ansprechen. Das ist zu riskant. Und es ist auch eine Kostenfrage. Wenn ich einen Angstpatienten unter Vollnarkose behandle, übernimmt die Kosten die Krankenkasse. Bei Lachgas sieht es anders aus. Aber es wird besonders in den USA bei den Zahnärzten häufig und durchaus auch erfolgreich eingesetzt. Die haben aber auch ein anderes Kosten- und Gesundheitssystem. Ich behandle meine Patienten entweder unter Lokalanästhesie oder unter Vollnarkose.

Was halten Sie von Hypnose bei Angstpatienten?

Mit Hypnose verhält es sich ähnlich wie mit Lachgas. Manche Menschen reagieren positiv darauf und springen darauf an. Bei anderen wiederum gibt es keinen oder sogar einen gegenteiligen Effekt. Gerade bei Menschen mit Phobien, Depressionen und anderen psychischen Problemen halte ich das für zu riskant.

Hatten Sie schon einmal einen Patienten oder eine Patientin, der solche Angst hatte, dass man ihn oder sie nicht behandeln konnte?

Ja, das kommt leider hin und wieder vor. Dann bricht der Patient die Behandlung in der Regel ab. Aber es gibt umgekehrt auch viele sehr positive Rückmeldungen und Patienten, die seit Jahren immer wiederkommen oder sogar eigens nach Berlin reisen, um in meine Praxis zu kommen. Das ist dann fast schon wieder das andere Extrem (lacht).

Dürfen Patienten bei Ihnen während der Behandlung Musik oder Podcasts hören, um sich zu entspannen?

Das dürfen sie, wenn sie das möchten. Manche fürchten sich ja vor allem vor den Geräuschen beim Zahnarzt, da kann es gut sein, diese nicht zu hören. Wobei ich es auch für eine Art der Ablenkung halte. Generell befürworte ich es eher, wenn sich der Patient mit seinen Ängsten auseinandersetzt und sich ihnen stellt. Aber wenn Musik oder ein Hörbuch gegen die Angst hilft, ist das natürlich auch in Ordnung.

Meistens helfen ja schon eine entspannte Atmosphäre und ein freundlicher Zahnarzt sowie ein umsichtiges Team, um ängstliche Patienten zu entspannen. Legen Sie darauf besonders viel Wert?

Ja. Natürlich schule ich mein Team dementsprechend und lege großen Wert darauf, dass die Patienten sich in meiner Praxis wohlfühlen und das Gefühl haben, sie sind in den besten Händen. Ich habe erfahrene Mitarbeiter und Anästhesisten. Alle Patienten werden bei uns umfassend betreut, behandelt und versorgt.

Wie kann ich mich als ängstlicher Patient besser auf einen Zahnarztbesuch vorbereiten?

Zunächst einmal, in dem der/die Betroffene sich klarmacht, wovor genau er/sie Angst hat. Je präziser man das dem behandelnden Zahnarzt beschreiben kann, umso besser kann er darauf eingehen.  Auch eine realistische Einschätzung der eigenen Angst ist hilfreich. Wo auf einer Skala von 1 bis 10 liegt mein innerliches Angstbarometer? Man sollte auch durchaus selbstbewusst auftreten und deutlich sagen, was man will und was man nicht will. Auch Unterstützung von außen kann helfen. Nehmen Sie den Partner/die Partnerin oder einen Freund/eine Freundin mit zum Zahnarzt, der/die Ihre Ängste kennt und Ihnen hilft. Alles ist besser, als aus Angst oder Scham den Zahnarztbesuch zu vermeiden und jahrelang einen Bogen um die Zahnarztpraxis zu machen.

Zur Person: Alexander Pirk wurde 1961 in Berlin geboren. Nach dem Abitur studierte er Medizin und Zahnmedizin und absolvierte eine psychotherapeutische Ausbildung. In seiner Praxis in Berlin-Dahlem hat er sich zusammen mit seiner Kollegin Daniela Daniel auf die Behandlung von Angstpatienten spezialisiert. Weitere Infos unter aubacke.de

Fotos: Getty, PR